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Julia aus Lüneburg

Unterwegs mit Lüneburgs Henker Hans

Aktualisiert: 6. Sept. 2021

Die Rathausglocken schlagen die volle Stunde an. Es ist 18 Uhr. Die Straßen leeren sich langsam, die Geschäfte schließen, Ruhe kehrt in den sonst so geschäftigen Straßen und Gassen der Hansestadt ein. Jetzt ist die Stunde von Scharfrichter Hans gekommen. An den Resten der Stadtmauer, am ehemaligen Stadtrand von Lüneburg empfängt er heute seine Gäste. Touristen, die die dunkle Seite des Mittelalters und der einst steinreichen Hansestadt erleben möchten. Für zwei Stunden entführt sie Meister Hans in eine andere Zeit und gibt mitunter sehr anschaulich Einblicke in das einstige Rechtssystem der Stadt.


Henker Hans zeigt ein ganz anderes Lüneburg.

„In keiner Epoche war die Lust und Kreativität sich auszulöschen so groß wie im Mittelalter“, begrüßt Meister Hans seine Gäste. Über den Kopf eine schwarze Ledermaske, die ihn vor dem bösen Blick der Hexe schützen soll. In der Hand seine „Franziska“, eine Beidhandaxt, sein Arbeitsutensil. Mit ihr, so der Henker, sprach er nicht nur Recht, sondern führte es auch aus. „Mit nicht mehr als drei Schlägen, sollte der Schuldige geköpft sein. Wer mehr benötigte, der wurde selbst Opfer. Das Volk hatte dann das Recht den unfähigen Scharfrichter zu Tode zu treten. Ist mir nie passiert“, versichert er und ein leichtes lächeln umspielt seine Lippen.


Scharfrichter Hans, heißt eigentlich Leif Scheele und ist im wirklichen Leben Schauspieler und ausgebildeter Stadtführer von Lüneburg. Über Jahre hat er sich auf die Rolle des Henkers von Lüneburg spezialisiert. Geschichtsbücher gewälzt, in alten Chroniken geforscht und im Stadtarchiv über historische Schriften gesessen. Alles, was er seinen Gästen als Meister Hans erzählt ist wahr und mitnichten Fiktion. Allerdings überlässt er es gern der Fantasie seiner Gäste, wenn er über Foltermethoden und Bestrafungen spricht und so „Kopfkino“ entstehen lässt.


Henker Hans am Niedergericht. Hier wurde Recht gesprochen... und gerichtet.

Zurück ins Mittelalter: Die Tour führt die Gruppe von der Bardowicker Mauer, über die Baumstraße hinunter zur Ilmenau. „Dort drüben, außerhalb der Stadtmauern stand einst der Galgenberg. Die Hygieneregeln der Stadt verlangten, das die Gehängten nicht in der Stadt verwesten. Zu viel Gestank, zu viele Vögel.“ Noch heute nennt sich eine der Straße dort „Am Galgenberg“. Wohingegen die „Tittentasterstraße“ umbenannt wurde. „Wohl zu anzüglich“, grinst Henker Hans. Die Gruppe steht jetzt in der Koltmannstraße, eine enge Gasse, Kopfsteinpflaster, viel Backstein, historische Giebel, schöne Utluchten. „Na, was gab es hier zu erleben? Ja, richtig die Hübscherinnen übten einst in dieser Straße ihr Handwerk aus.“ Das waren Lüneburgs Prostituierte. Selbst die Stadtwache hielt sich aus diesem Viertel raus, deshalb übernahm der Henker den Job des Obmanns.


Hier stand einst der Schandpfahl.

Und der wohnte quasi gleich nebenan, in einem Haus an der Rosenstraße. „Warum heißt die so?“ Henker Hans lacht dreckig und erklärt: „Der Name hat jedenfalls nichts mit den Roten Rosen von heute zu tun, wie sogar viele Einheimische glauben. Die Straße wurde nach mir benannt. Ich bin Meister Hans Rose und dort steht mein Haus“, erklärt er und zeigt auf ein eher unscheinbares Gebäude mit Treppengiebel. Heute hat dort eine Bank ihren Sitz. Damals lebte der Henker von Lüneburg nicht nur dort, er übte im Keller zudem sein schreckliches Handwerk aus. „Wer nicht geständig war, wurde mittels Streckbank und Daumenschrauben zur Rede gebracht.“


Über seine „feinen Foltermethoden“, die Rechtssprechung am Niedergericht und den Schandpfahl auf dem Marktplatz weiß Henker Hans noch einiges zu erzählen. Und auch was Schlitzohren, das Wort „überzeugen“ und der „Satz mit gespaltener Zunge reden“ im Mittelalter zu bedeuten hatten. Das und noch vieles mehr, erfahren die Gäste bei seiner schaurig-schönen Rundführung durch die historischen Gassen von Lüneburg. „Trauen Sie sich! Nur keine falsche Bescheidenheit…“











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