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  • Julia aus Lüneburg

Frauen im 16. Jahrhundert

Aktualisiert: 7. Juni 2022

Johanna ist die Frau des Kordaners. Im Mittelalter war das ein Schuster, der aber auch Handschuhe, Taschen und Lederkleidung fertigen konnte. Sie lebte mit ihrer Familie in der westlichen Altstadt Lüneburgs, dem Viertel der Mittelschicht. „Hier gab es alles, was wir zum Leben brauchten“, sagt die mit Haube und Leinenkleid gewandete Frau und lächelt fröhlich. „Ich hatte im Hinterhof einen kleinen Garten und ein paar Hühner. Eier waren im 16. Jahrhundert die zweite Währung und versorgten uns so mit allem Nötigen.“ Dass sie nahezu ununterbrochen schwanger war, eigentlich so gut wie keine Rechte besaß und noch unter dem Stand der Arbeiterklasse rangierte, dass scheint sie wenig zu kümmern. „So war das damals“, sagt Johanna und zuckt mit den Schultern. „Gelacht und getanzt haben wir trotzdem.“


Bärbel Heinemann entführt als Johanna, Frau des Schusters, ins 16. Jahrhundert. Fotos: Julia St.-B.

Johanna heißt eigentlich Bärbel Heinemann. Sie ist Gästeführerin und führt seit zwei Jahren Besucherinnen und Besucher der alten Salz- und Hansestadt durch die verwinkelten Gassen Lüneburgs. Als Frau des Schusters entführt sie die Gäste nun auch ins Mittelalter und in eine Zeit, in der Frauen nicht viel zu sagen hatten. Sie gibt bei der rund 90 Minütigen Tour Einblicke in das Leben der Frauen im 16. Jahrhundert, erzählt über Liebe und Leid, die Stellung der Kirche, die Bedeutung von Kindern, über Männer und Macht, über Huren und Hexen und über ihre Machtlosigkeit.


Los geht es am „Zentrum der Macht“ , dem Lüneburger Rathaus. „Hier regierten die Patrizier. Männer, allesamt Angehörige des niederen Adels, Stadtherren und wohlhabende Kaufleute“, so Johanna. „Sie gehörten zu Lüneburgs Oberschicht.“ Die Mittelschicht, das waren die Handwerker, Kleinhändler, Brauer, Fuhrunternehmer, Schiffer, Baumeister. Auch ihre Familie gehörte dazu. Die Unterschicht bildeten die Arbeiter an den Salzpfannen in der Saline, Tagelöhner, Knechte und Mägde. „Erst darunter folgten wir Frauen“, so Johanna und fügt hinzu: „Wir hatten keine Rechte, nur eine einzige Aufgabe: das gebären von Kindern.“


Der Weg führt vom Rathaus hinunter in die westliche Altstadt, vorbei an der Michaeliskirche. Johanna erklärt: „Es gab ausschließlich arrangierte Ehen. Die Eheleute, insbesondere die Frauen, konnten bei der Wahl ihres Partners nicht mitreden. In adeligen Kreisen betrieb man so auch Politik: Man verheiratete seinen Sohn oder seine Tochter mit jemandem aus einer Familie, deren Gunst man sich sichern wollte.“ Geheiratet wurde in der Regel im Alter von 13 Jahren. Nicht selten wurden die Frauen jedes zweite Jahr schwanger, Empfängnisverhütung war ihnen weitgehend fremd. Etwa jedes dritte Neugeborene erreichte das Erwachsenenalter nicht, etwa zehn Prozent der Frauen starben bei oder unmittelbar nach der Geburt. Epidemien, chronische Unterernährung, mangelnde Hygiene und schlechte medizinische Bedingungen waren oft der Grund. So betrug das Durchschnittsalter der Frauen nur 30 bis 38.


Es geht vorbei an der heutigen „Neuen Straße“, damals das Viertel der Hübschlerinnen. „Huren“, erklärt Johanna. „Immer zu erkennen am Gelben Band, das sie an der Kleidung oder in den Haaren trugen.“ Prostitution war im Mittelalter explizit erlaubt, und seine Notwendigkeit wurde nicht angezweifelt. Aus diesem Grund wurde Prostitution recht offen ausgeübt, auch wenn ihr Wirkungskreis rechtlich auf gewisse Häuser und Straßen begrenzt war. „So wie in dieser Straße damals“, sagt Johanna und deutet auf die kleinen Fachwerkhäuser.


Johanna erklärt das Leben der Frauen im Mittelalter, erzählt anschaulich Geschichten und entführt in eine ganz andere Zeit, die sich zwar am selben Ort, aber von rund 500 Jahren abgespielt hat.

Vorbei an der Bardowicker Mauer, den Resten der alten Stadtmauer, geht es zum Niedergericht am Markt und hinunter zum Stint, dem Hafenviertel Lüneburgs. Johanna erklärt das Leben der Frauen im Mittelalter, erzählt anschaulich Geschichten und entführt in eine ganz andere Zeit, die sich zwar am selben Ort, aber von rund 500 Jahren abgespielt hat. Am Ende wandelt sich auch das Bild der Frau. In Lüneburg war es Elisabeth Maske, 1860 geboren. Sie war eine der ersten Lehrerinnen und Fitness-Pionierin. Zu ihr und zu Gästeführerin Bärbel Heinemann gibt es eine ganz besondere Verbindung. Doch von der, muss sie Ihnen selbst berichten. Vielleicht bei einer Führung zu den Frauen im 16. Jahrhundert…


Zur Erlebnisführung "Frauen im 16. Jahrhundert" geht es hier.

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